Triptychon

Der dreiteilige Flügelaltar entstand in den Jahren 1983-1987. Ich kam in dieser Zeit an der F+F und in der Roten Fabrik mit vielerlei Menschen und vielerlei Lebenskonzepten in Kontakt. Ich merkte aber überall, dass ich hier nicht dazu gehörte. So begann meine Suche nach meinem Platz in der Kunstszene. Das Triptychon ist meine Antwort darauf.

Es hat eine Länge (geöffnet) von 6,5 Metern und eine Höhe von 1,3 Metern.

Viel Autobiographisches ist miteingeflossen, aber alles, noch bevor es in meinem Bewusstsein war.

Das Triptychon ist eine mittelalterliche Kunstform. Ich habe intuitiv auch eine mittelalterliche Technik gewählt: Ölmalerei auf Gipsgrund, auf den beiden Aussenseiten zum Teil ergänzt mit Pastellkreide.

Es besteht aus zwei Aussenflügeln und einem inneren Teil. Wenn es geschlossen ist, sieht man die beiden Aussenflügel, die malerisch eine Einheit sind.

Das Triptychon zeigt drei verschiedene Wege, wie die Menschheit versucht, das Zusammenleben zu regeln und individuelles Glück zu finden:

Aussenflügel links: Das Zentrum ist das Gesetz
Aussenflügel rechts: Das Zentrum ist die Selbsterlösung
Innenseite: Das Zentrum ist die Gnade

Die Lösungsansätze der beiden Aussenseiten sind zum Scheitern verurteilt, denn sie verkennen, dass der Mensch Geschöpf ist, eingebetet in die Schöpfung, Teil davon, aber immer den Grenzen des Menschseins überliefert.

Weil nur der Weg der Gnade, welche die Frucht der Liebe ist, zur Erfüllung führt, ist der innere Teil mit der ganzen Farbenpracht des Regenbogens gemalt.

 

Der Aussenflügel links
Triptychon Aussenflügel links

Im Stamm des Lebensbaumes, gefangen vom Paragraphen, der Mensch, ein Kind?
Von den Krallen der Wurzeln festgehalten, die nichts wissen wollende Person, macht es sich im Komfort bequem, eingeigelt, ohne jeglichen Kontakt, unter einer Käseglocke.

Links, im Namen des Gesetzes abgetrennte Glieder, ein Dämon, ganz aussen auf dem Ast, freut sich an den Greueln.

Was nicht sein darf und doch ist spaltet die Köpfe, die Persönlichkeit des Menschen.
Die vom Gesetz zwar verbotenen und doch auch wieder angebotenen Früchte werden geerntet.
Folgen sind die Einsamkeit (oben rechts), Zwist und Zerstörung (Oben Mitte), Gewalt, Folter (oben links)

 

Der Aussenflügel rechts
Aussenflügel rechts

Im Zentrum der Mensch, der versucht, sich am eigenen Schopf aus dem Sumpf zu ziehen ( Geschichte von Hieronymus Karl Friedrich Freiherr von Münchhausen, 18. Jahrh.).
Direkt über ihm die Unheil ankündigende Krähe.
Unter ihm der Mensch, der in den Sumpf hineingeboren wird. Über Generationen werden die Belastungen weiter gegeben.

Links : Sinnlichkeit, Schlauheit, Geschmeidigkeit, Genuss, Schönheit, alles Werte, die ins Gegenteil verkehrt werden können, wenn sie zum Instrument der Selbsterlösung werden.

Rechts : Erkenntnis, Meditation, Geld, Askese, Eitelkeit, Bildung, wenn als Mittel zur Selbsterlösung gebraucht, werden zu Werkzeugen des Machtmissbrauchs.

Innenseite
Eine goldene Spirale spannt sich von links aussen hin zum rechten Rand und verbindet Alpha und Omega: „Ich bin das A und das O, der Anfang und das Ende“ (Jesus)
Gesamtansicht Innenseite Triptychon
Die Innenseite kann sowohl vom einzelnen Menschen, also individuell, als auch von der Gemeinschaft, der Menschheit, den Völkern aus betrachtet werden. Wir stehen gleichzeitig in der Mitte, vor dem Kreuz, als auch immer wieder an jedem beliebigen anderen Ort der Innenseite des Triptychons. Wir finden uns oft innert kurzer Zeit an verschiedenen Orten: dem Paradies, der geheilten Welt, beim Sterben, in der Desorientierung, in Gemeinschaft und in der Einsamkeit. Trotz dieser Vielfalt gibt es die Geschichte, eine Entwicklung von A zu O. Nichts bleibt so, wie es ist. Alles ist in Bewegung, hin auf den Zustand der Schöpfung, so wie sie von Anfang an gedacht war. Und der Mensch hat die Freiheit der Entscheidung. Ob ich einer Religion angehöre und welcher, spielt keine Rolle. Entscheidend ist, ob ich die Frohe Botschaft von Christus höre und annehme, die Botschaft: Wir sind von Gott geliebt und wir haben ein neues Gesetz, das alle andern überflüssig macht, es heisst Liebe. Das ist Gnade. Wenn wir dann noch das Glück haben, dass uns der christliche Glaube nicht durch andere Christen verdorben wurde, und wir nicht in einem Umfeld leben, wo es nicht möglich ist, den christlichen Glauben zu leben, dann haben wir eine zusätzliche Möglichkeit glücklich zu werden, nämlich, indem wir darauf achten und uns fragen: Wie hätte Er da reagiert?
 Linker Flügel, das Paradies
Innenseite links Adam und Eva, aufgehoben im Baum der Erkenntnis, halten die Madonnenlilie, Symbol der Reinheit, in der Hand.Die Eule Symbol der Weisheit, ist auch dabei. Die Frucht, die sie pflückten, ist von einer Krone, Symbol der Macht, umgeben. Ein Schwan, Vorbote und Überbringer dunkler Nachrichten, fliegt den Weg, der ihm die Spirale weist. Ein Hahn, mit doppeltem Schatten, erinnert an den dreifachen Verrat des Petrus von Jesus. Pflanze und Tiere beleben Meer, Wasser und Luft.
 Mittelteil links, der Alte Mensch
Mittelinks Der Mensch, der sich von Gott losgesagt hat, fällt aus der Geborgenheit heraus. Er hat kein Zentrum, keine Verbindung, ein maskenhaftes Gesicht, das die Persönlichkeit verbirgt. Die Zunge ist gespalten, er verliert sich in alle Richtungen.

Mittelteil, die Kreuzigung

Innenseite Mitte

Die Kreuzigung, ein Bild totaler Hingabe, Hingabe für mich, Hingabe für Dich, Hingabe in Freiheit und Übereinstimmung mit dem Willen Gottes. Auch wer vor dem Bild steht, erlebt.
Augenblicke der Kreuzigung, des unendlichen Schmerzes, des Ausgeliefertseins. Doch oben, beim aufwärtssteigenden Balken des Kreuzes, steht das Wort Gnade. Gnade dem Täter, der Täterin, Gnade dem Opfer. Das Kreuz, auch im Erleben, entpuppt sich oft als Gnade. Gnade, das Zentrum der Innenseite des Triptychons, Folge der unendlichen Liebe, ermöglicht den Weg zum heil werden. Keine Leistung wird je genügen. Es ist die Freiheit des Menschen, das Geschenk der Gnade anzunehmen oder zu verwerfen.
Mittelteil rechts, der Neue Mensch

Mitte Rechts

Der Neue Mensch ist eins geworden, verbunden mit Gott, verbunden mit dem Menschen, der ganzen Schöpfung. Aus seiner Geborgenheit heraus ist er aktionsfähig und frei. Er empfängt und gibt weiter. Er erkennt sich als einmalig, wird aber überstrahlt von der Kraft Gottes. Das ist Erfüllung. Der Weg zum Neuen Menschen führt immer über das Kreuz.
Rechter Flügel, das Neue Jerusalem
Innenseite Rechts Die Spirale, die bei der Eule ihren Anfang nahm, endet im Roten Punkt: Der Weisheit letzter Schluss ist Gott, Gott bei den Menschen. Die Neue Stadt, umfangen vom Omega, Gottes Ziel seiner Schöpfung, hat alle Tore offen, die Mauern trennen nicht mehr. Über den offenen Toren wachen die Engel. Gott hat von seiner Schöpfung Besitz ergriffen, seine Kraft, sein Licht, seine Wärme strahlen aus, ins Unendliche. Menschen aller Nationen, reich und arm, jung und alt, bringen ihre Gaben, erkennen und anerkennen seine Grösse. Sie pflücken die Blätter der Bäume zur Heilung der Völker, sie trinken vom Wasser des Lebens, umsonst. Brot und Wein, die Ähren und der Weinstock, die drei Weisen im Bild unten rechts, sie alle stellen die Verbindung zu Jesu Leben her.
Kurze Momente erlauben es uns manchmal, eine Ahnung von der neuen, heilen Welt zu haben, doch sie sind rar. Deshalb habe ich mich bei der Gestaltung des Neuen Jerusalems genau an die Beschreibung im letzten Kapitel der Offenbarung gehalten.

Regula Johanni 20. Mai 2010